Eine kurze Begebenheit, die ich vor einigen Tagen erlebt habe, ist der Anlass, heute einen Beitrag zum Thema „Aua“ zu schreiben.
Die kleine Antonia liegt im Ruheraum einer zahnärztlichen Praxis auf einem Kinderbett und schläft – nachdem vorher eine Stunde lang ihre kariösen Zähne mit Füllungen und Milchzahnkronen versorgt wurden. Der Eingriff und die Narkose sind komplikationslos verlaufen. Ein Milchzahn konnte nicht erhalten werden und wurde von der Zahnärztin während der Narkosebehandlung entfernt. Dazu hat sie bei Antonia eine örtliche Betäubung (Lokalanästhesie) eingespritzt.
Antonias Eltern sind bei ihr im Ruheraum und warten darauf, dass sie nach der Narkose wieder aufwacht. Nach einer halben Stunde bewegt sich Antonia und macht die Augen auf. Ihre Mutter spricht sie an und Antonia reagiert müde. Nach weiteren zehn Minuten fängt Antonia an zu weinen und schluchzt laut: „Aua, aua, aua.“ Ihre Mutter wendet sich besorgt an die Mitarbeiterin im Ruheraum und verlangt nach einem Schmerzmittel für Antonia.
Ich gehe zur Mutter und erkläre ihr, wie ich die Situation einschätze:
In der Erholungsphase des Kindes nach dem Eingriff kann man meistens gut beurteilen, ob das Kind (starke) Schmerzen hat. Ein Kind, das ruhig aufwacht, wird keine (starken) Schmerzen haben, denn Schmerz wäre ein intensiver Weckreiz – und hätte schon vorher zu Unruhe geführt. Trotzdem sagen manche Kinder, wenn sie wach geworden sind und Missempfindungen (z. B. nach einer Zahnbehandlung) spüren: „Aua“. Ebenso könnte es sein, dass ein Kind den Verband des Venenkatheters sieht oder den Verband der OP-Wunde, und dann „aua“ äußert. Das Allgemeinbefinden nach einer Narkose mit Körperempfindungen wie müde, schlapp, matt, elend, kraftlos, durstig, hungrig oder mit Mundtrockenheit veranlasst manche Kinder, „aua“ zu sagen. Für die Wahrnehmung dieses Unwohlseins muss das Kind wach und geistig klar sein.
Missempfindungen (bei Antonia vor allem von der Lokalanästhesie und der Wunde im Mund) lassen sich durch Schmerzmittel (oder andere Medikamente) meistens nicht beeinflussen. Zur Verbesserung der Befindlichkeit braucht der Körper nach einem Eingriff in Narkose vor allem Zeit. Viele der Beschwerden bessern sich während der ersten Stunden nach dem Eingriff ohne besondere Maßnahmen.
„Aua“ bedeutet hier also eher, dass etwas nicht stimmt (bzw. nicht wie vor dem Einschlafen ist). Für Missempfindungen kennen kleine Kinder noch kein Wort, und sie können die Situation mangels Vorerfahrungen und geistiger Reife nicht zuverlässig einschätzen.
Für die Beurteilung des ärztlichen Personals, ob weitere Schmerzmittel erforderlich sind, spielen die Beobachtungen des Patienten eine wichtige Rolle (Weinen, Gesichtsausdruck, Körperhaltung und Körperspannung, Bewegungsunruhe, Wachheitsgrad, Atemmuster). Die Fremdeinschätzung ist bei jüngeren Kindern zuverlässiger als die Selbsteinschätzung. Zudem muss berücksichtigt werden, welche Schmerzmittel der Patient bereits bekommen hat.
Die Eltern können ihrem Kind helfen, indem sie es beruhigen und ihm beispielsweise (bei Antonia) sagen: „Oh, mein Schatz, fühlt es sich im Mund oder an der Lippe komisch an? Ja? Wir müssen jetzt zusammen leider noch etwas warten, bis sich das wieder normal anfühlt. Wir sind bei dir und kümmern uns um dich.“
Auf diese Weise wird dem Kind bestätigt, dass es Beschwerden hat und die Beschwerden von den Eltern wahrgenommen werden. Gleichzeitig erfährt das Kind die Sicherheit, dass es mit seinem Problem nicht allein ist. Die Eltern helfen ihrem Kind damit, seinen Stress zu regulieren.
Hilfreich ist auch eine Beschäftigung (z. B. spielen, vorlesen), weil es dem Kind ermöglicht, seine Aufmerksamkeit auf etwas Angenehmes zu lenken – und damit von der Missempfindung abzulenken.
Da „aua“ meistens körperlichen Schmerzes ausdrückt, ist es für andere Personen ein starkes Signal, dem Kind Aufmerksamkeit zu widmen. Manchen Eltern fällt es wohl deshalb schwer auszuhalten, dass ihr Kind „in Not“ ist – und sich dieser Zustand nicht sofort verbessern lässt.
Das Aushalten und Mittragen der Situation mit einem unruhigen, weinenden Kind ist bei längerer Dauer für die meisten Eltern stressig und belastend.