Risiken

Risiken und Komplikationen einer Anästhesie

 
Vorbemerkung

Eine Anästhesie (Vollnarkose, Dämmerschlafbetäubung oder Teilbetäubung) hinterlässt in den allermeisten Fällen keinen bleibenden Gesundheitsschaden, d. h. es sterben beispielsweise keine Gehirnzellen ab. Dies gilt auch bei Patienten in hohem Lebensalter, in schlechtem Allgemeinzustand und mit Begleiterkrankungen.

Der Anästhesist überwacht die Körperfunktionen des Patienten vor, während und nach der Anästhesie, um Komplikationen, die durch den Eingriff oder die Betäubung entstehen können, vorzubeugen oder diese sofort zu erkennen und zu behandeln.

Bei Zehntausenden Anästhesien ereignet sich nur ein einziger folgenschwerer Anästhesiezwischenfall.

Die unten aufgeführten unerwünschten Wirkungen der Anästhesie treten schicksalhaft auf, also ohne dass ein Behandlungsfehler des Arztes vorliegt; hierzu zählen insbesondere die Risiken des täglichen Lebens, wie z. B. Schlaganfall, Herzinfarkt und Lungenembolie, die sich – in Abhängigkeit von Alter und Vorerkrankungen – jederzeit verwirklichen können. Der Narkosearzt kann ihr Auftreten nicht verhindern, aber fast immer entsprechend behandeln, so dass es in der Regel nicht zu bleibenden Gesundheitsschäden kommt.



 

Gruppe 1: Gelegentliche unerwünschte Wirkungen der Anästhesie (1:10 – 1:100)

 

    • Bluterguss oder Blutung (nach Blutgefäßpunktion)
    • Zittern und Frieren (Shivering)
    • bei Kindern in der Aufwachphase: Weinen, Schreien, Toben
    • bei sehr alten Patienten und solchen mit Demenzerkrankungen: für einige Stunden Verwirrtheit und Aggressivität
    • Übelkeit und Erbrechen
    • Hals- und Rachenschmerzen
    • Schluckbeschwerden
    • mehrfache Blutgefäßpunktionen
    • vorübergehender Blutdruck- und Pulsabfall (bei Regionalanästhesie)
    • Harnverhalt (vor allem nach rückenmarksnaher Regionalanästhesie)
    • Wärme-, Schwere- oder Taubheitsgefühl, Muskelzittern, Kribbeln oder Ziehen in den betäubten Gliedmaßen (nach Regionalanästhesie)
    • vorübergehendes Wärmegefühl im Gesicht (nach Regionalanästhesie am Arm oder Hals)
    • vorübergehende Heiserkeit (nach Regionalanästhesie am Arm oder Hals)
    • vorübergehend erschwerte Atmung (nach Regionalanästhesie am Arm oder Hals)
    • vorübergehendes Hängen des Augenlids (nach Regionalanästhesie am Arm oder Hals)

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Gruppe 2: Seltene unerwünschte Wirkungen der Anästhesie (1:100 – 1:1.000)

 

    • Atembeschwerden
    • Kreislaufreaktionen
    • Infektionen im Bereich der Einstichstelle (z. B. Venenreizungen, Venenentzündungen, Spritzenabszess, Absterben von Gewebe)
    • Heiserkeit (vorübergehend)
    • Kopfschmerzen
    • Juckreiz
    • leichtere allergische Reaktionen
    • Zahnschäden (auch an Implantaten und fest sitzendem Zahnersatz) mit Notwendigkeit einer zahnärztlichen Behandlung
    • Zahnverlust mit Notwendigkeit einer zahnärztlichen Behandlung
    • Herzrhythmusstörungen (vorübergehend)
    • krampfartiger Verschluss der Luftwege (z. B. Laryngospasmus, Bronchospasmus)
    • vorübergehende oder bleibende Nervenschäden nach Blutgefäßpunktion (z. B. Missempfindungen, Berührungsempfindlichkeit, Taubheitsgefühl)
    • Lähmungen oder Gefühlsstörungen an Armen oder Beinen durch Druck oder Zerrung bei der Lagerung
    • Eindringen von Luft in den Brustfellraum mit erschwerter Atmung und Schmerzen (Pneumothorax – nach Regionalanästhesie am Arm oder Hals)
    • bleibende Nervenschäden, z. B. chronische Schmerzen (nach Regionalanästhesie)
    • bleibende Gefühlsstörungen (nach Regionalanästhesie)
    • Krampfanfall (bei Regionalanästhesie oder unbeabsichtigter arterieller Injektion)
    • Rücken- und Kreuzschmerzen (nach rückenmarksnaher Regionalanästhesie)
    • starke Kopfschmerzen (vorübergehend – nach rückenmarksnaher Regionalanästhesie)

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Gruppe 3: Sehr seltene unerwünschte Wirkungen der Anästhesie (1:1.000 – 1:10.000)

 

    • Wachheit in Narkose (Awareness)
    • Einfließen von Speichel oder Mageninhalt in die Lunge (Aspiration) mit möglicher Lungenentzündung, Lungenabszess, Lungenversagen und Notwendigkeit zur künstlichen Beatmung
    • längerfristige Verwirrtheitszustände
    • Infektion mit Hepatitis-Viren (Folge: Leberentzündung) nach Übertragung von Fremdblut oder Fremdblutbestandteilen
    • Verletzungen von Rachen, Kehlkopf, Luftröhre und Stimmbändern mit Missempfindungen, Heiserkeit oder Atemnot
    • bleibende Stimmstörungen (Heiserkeit)
    • Stimmverlust
    • bleibende Atemnot
    • lebensgefährliche Herz- und Kreislaufreaktionen (z. B. nach unbeabsichtigter arterieller Injektion)
    • schwere allergische Reaktionen
    • bleibende Lähmungen, z. B. des Stimmbandnervs oder des Zwerchfells mit Behinderung der Atmung (nach Regionalanästhesie am Arm oder Hals)
    • starke Kopfschmerzen (längerfristig – nach rückenmarksnaher Regionalanästhesie)
    • Hörstörungen (vorübergehend – nach rückenmarksnaher Regionalanästhesie)
    • Gleichgewichtsstörungen (vorübergehend – nach rückenmarksnaher Regionalanästhesie)
    • Sehstörungen (vorübergehend – nach rückenmarksnaher Regionalanästhesie)
    • Krampfanfälle, Herz- und Kreislaufstörungen, Bewusstseinsverlust und Atemversagen, wenn das Betäubungsmittel in den Blutkreislauf gelangt (nach Regionalanästhesie)
    • Verletzung des Rückenmarks (nach thorakaler Periduralanästhesie)

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Gruppe 4: Extrem seltene unerwünschte Wirkungen der Anästhesie (weniger als 1:10.000)

 

    • Herz-Kreislaufstillstand
    • Atemstillstand
    • Bildung von Blutgerinnseln (Thromben) evtl. dadurch Gefäßverschluss (Embolie) – mit Organschäden (z. B. Lungenembolie, Schlaganfall mit bleibender Lähmung)
    • Allgemeine Blutvergiftung (Sepsis)
    • Entzündung von Organen, z. B. der Herzinnenhaut (Endokarditis)
    • Infektion mit HIV (Folge: AIDS) oder anderen Krankheitserregern (z. B. BSE, Variante der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung) sowie derzeit unbekannten Erregern nach Übertragung von Fremdblut oder Fremdblutbestandteilen
    • schwer wiegende Unverträglichkeitsreaktionen
    • bleibende Lähmungen nach Nervenverletzung, nach Blutergüssen, nach schwer wiegenden Entzündungen
    • stärkere Blutungen durch die Verletzung von Venen oder Arterien und des benachbarten Gewebes (durch die Injektionsnadel), die eine operative Behandlung notwendig machen
    • lebensbedrohliche Stoffwechselentgleisung mit Anstieg der Körpertemperatur (Maligne Hyperthermie) mit Notwendigkeit der intensivmedizinischer Behandlung – und evtl. bleiben Schäden an wichtigen Organen (z. B. Gehirn, Nieren)
    • Organschäden
    • Herzinfarkt
    • bleibend oder lang andauernd: Narben, Schmerzen, Missempfindungen, Taubheitsgefühl und Lähmungen nach Haut-, Weichteil- und Nervenschäden
    • Nervenschäden mit Lähmung (nach Regionalanästhesie)
    • schwer wiegende Blutgefäßverletzung (nach Regionalanästhesie)
    • Infektion in Rückenmarksnähe (nach rückenmarksnaher Regionalanästhesie)
    • Bluterguss in Rückenmarksnähe (nach rückenmarksnaher Regionalanästhesie)
    • Nervenverletzungen (bei rückenmarksnaher Regionalanästhesie)
    • Verletzung und Erweiterung der Armschlagader (so genanntes Pseudoaneurysma) mit den Folgen Missempfindungen im Arm oder Lähmung der Armplexusnerven (bei Armplexusanästhesie)
    • bleibende Verschlechterungen des Hörvermögens (nach rückenmarksnaher Regionalanästhesie)
    • bleibende Verschlechterungen des Gleichgewichtsempfindens (nach rückenmarksnaher Regionalanästhesie)
    • bleibende Verschlechterungen des Sehvermögens (nach rückenmarksnaher Regionalanästhesie)
    • bleibende Potenzstörungen (nach rückenmarksnaher Regionalanästhesie)
    • bleibende Harn- und Stuhlinkontinenz (nach rückenmarksnaher Regionalanästhesie)
    • Querschnittlähmung (nach rückenmarksnaher Regionalanästhesie)
    • Verletzung des Rückenmarks (nach lumbaler und kaudaler rückenmarksnaher Regionalanästhesie)
    • Hirnhautentzündung (Meningitis – nach rückenmarksnaher Regionalanästhesie)

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Eine Anästhesie ist in der heutigen Zeit eine risikoarme ärztliche Behandlung, die den operativen Eingriff erst ermöglicht. Mit der kontinuierlichen Überwachung durch das Anästhesieteam stellt eine Anästhesie für die meisten Menschen die am besten überwachte Zeit ihres Lebens dar.